Viele Klienten, die zu mir kommen, stellen mir die Frage, ob in einer Beziehungskrise eine Einzeltherapie oder Paartherapie das Richtige für sie ist. Das ist eine wichtige Frage, die von einigen Faktoren abhängt und die je nach Situation unterschiedlich entschieden werden kann. Daher möchte ich dir mit diesem Artikel gerne einen Einblick geben in mögliche Fragen, die du dir stellen kannst, um eine Antwort für dich auf diese Frage zu finden. Außerdem möchte ich dir zunächst Sonja vorstellen, eine Klientin, die genau diese Frage für sich exploriert.

Sonja ist unzufrieden mit ihrer Beziehung. In letzter Zeit streitet sie viel mit ihrem Freund, und die guten Momente, in denen sie sich mit ihm verbunden fühlt, sind immer seltener geworden. Sie möchte etwas verändern, ihr Partner ist aber noch zögerlich. Daher hat sie zunächst ein Kennenlerngespräch bei mir gebucht, um die Optionen zu erkunden. Im Gespräch erzählt Sonja, dass die Beziehung ein großes Thema ist, an dem sie arbeiten möchte. Außerdem ist sie auch mit anderen Bereichen ihres Lebens nicht so ganz zufrieden: Sie hat die Selbstfürsorge für sich etwas schleifen lassen, würde gerne lernen, mehr auf ihre eigenen Grenzen zu achten und ihre Gefühle direkt und ehrlich zu kommunizieren. Sie ist sich auch nicht so ganz sicher, ob sie eine Zukunft für die Beziehung sieht und was ihr eigentlich in einer Beziehung wichtig ist. 

Eine wichtige Frage, um herauszufinden, ob Paartherapie oder Einzeltherapie das Richtige für dich ist:

1. Was ist dein Anliegen? 

Wenn Menschen wie Sonja zu mir kommen, dann geht es zunächst darum, zu verstehen, was sie gerne verändern möchten und wie ich dabei helfen kann. 

Sonja definiert als ihre Ziele, dass sie gerne mehr Klarheit haben möchte, ob die Beziehung für sie so weitergehen kann. Außerdem möchte sie wieder mehr Selbstfürsorge priorisieren und ihre Grenzen kennenlernen und kommunizieren. Auch ihre Gefühle und Bedürfnisse möchte sie wieder besser spüren.

In Sonjas Fall wird deutlich, dass das Anliegen für sie mehr auf sie fokussiert ist, und daher eine Einzelberatung für sie zunächst das Richtige sein kann.

Um Klarheit für dich zu bekommen, können die folgenden Fragen helfen: 

  • Was möchtest du gerne für dich in dem Therapieprozess lernen oder verändern? Überlege dir so konkret wie möglich, was diese Veränderungen sind.
  • Stell dir vor, du wachst morgen auf, und du hast deine Ziele erreicht. Du lebst einen normalen Tag, verbringst Zeit mit deinem Partner, in der Arbeit. Woran merkst du, dass etwas anders ist?
  • Versuche, für dich diese Ziele so konkret wie möglich zu formulieren, also anstatt "die Beziehung verbessern" zum Beispiel "ich möchte, dass wir uns mehr Wertschätzung zeigen, indem wir uns 1x die Woche einen Paarabend nehmen".

Deine Ziele können dir eine erste Idee geben, ob es mehr um Ziele für dich selbst geht oder um einen Prozess, der als Paar stattfinden sollte. 

Gute Gründe für eine Einzeltherapie

Ich möchte dir noch etwas mehr darüber erzählen, wann eine Einzeltherapie oder Beratung das Beste für deine Situation sein kann. 

1. Du bist unzufrieden in der Beziehung, und möchtest Klarheit für dich bekommen, ob die Beziehung so noch weitergehen kann. 

Wenn es darum geht, dass du dir unsicher mit der Beziehung bist und überlegst, ob deine Werte und Bedürfnisse noch erfüllt werden, dann ist das Anliegen in einer Einzelberatung gut aufgehoben. Da bekommst du allen Raum für dich, um deine Werte, deine Zweifel und Unsicherheiten zu explorieren. In einer Paarberatung würdest du dich vielleicht von der Anwesenheit deines Partners eingeschüchtert fühlen, und könntest nicht so frei über deine Zweifel sprechen. 

2. Du möchtest dein Verhalten in der Beziehung verändern und verstehen.

Vielleicht hast du festgestellt, dass du gerne etwas an dir selbst verändern bzw. Neu lernen möchtest. Wie bei Sonja kann das zum Beispiel dein Selbstwertgefühl, deine Kommunikation, oder deine Kommunikation über deine Grenzen sein. Es kann auch darum gehen, mit deinen Emotionen besser umzugehen, wie zum Beispiel Wut, Eifersucht oder Traurigkeit. In diesen Situationen ist eine Einzelberatung gut, da gezielt an diesen Themen gearbeitet werden kann.

3. Du möchtest einen Betrug/eine Affäre für dich verstehen und Klarheit erhalten.

Einige Klienten kommen auch zu mir, weil sie explorieren wollen, wieso sie eine Affäre begonnen haben und wie sie mit der Situation umgehen möchten. Dazu gehört auch, zu explorieren, ob das Geschehene mit dem Partner geteilt werden möchte, und was die Konsequenzen daraus sind.

4. Du möchtest deine Vergangenheit/Kindheit verstehen und Dinge für dich verändern. 

Stell dir vor, du merkst, dass gewisse Themen für dich zum ersten Mal durch die Beziehung auftreten. Zum Beispiel könntest du das erste Mal merken, wie schwer es dir fällt, auf deine eigenen Bedürfnisse zu achten, wenn du mit deinem Partner zusammen bist. Oft hilft die Beziehung dabei, alte Wunden oder Themen, die wir noch nicht verarbeitet haben, ans Licht zu bringen. Dann wünschst du dir einen Raum, der nur für dich ist. In der Einzelberatung bist du dann gut aufgehoben, um diese Verletzungen in der Tiefe zu verstehen und deine Vergangenheit zu verarbeiten.

5. Dein Partner ist nicht bereit für eine Paartherapie.

Wichtig für die Therapie ist die Freiwilligkeit - wenn dein Partner nicht mit in die Beratung bzw. Therapie kommen möchte, dann musst du das zunächst auch so akzeptieren. Es kann gut sein, dass du über die Entscheidung deines Partners traurig bist oder versuchst, ihn immer wieder zu überreden. Dennoch kann ich dir versichern: Auch, wenn nur du in eine Beratung kommst, kann sich deine Beziehung positiv verändern! 

Paartherapie oder Einzeltherapie

Wieso auch die Einzeltherapie die Beziehung verbessern kann

Der Psychologe David Schnarch [1] behauptet, dass es wichtig für jeden Partner ist, sich individuell weiterzuentwickeln. Nur so kann die Beziehung langfristig glücklich und erfüllt bleiben. Dafür ist es wichtig, dass beide Partner einige Kompetenzen erlernen. Zu diesen Kompetenzen zählt der Therapeut unter anderem ein stabiles Selbstwertgefühl. Konkret bedeutet das, dass du dich selbst wertschätzen kannst, weißt, dass du ein toller Mensch bist, und nicht nur auf die Wertschätzung und Bestätigung deines Partners angewiesen bist.

Als nächstes ist es laut dem Therapeuten für eine glückliche Beziehung auch wichtig, dass du deine eigenen Ängste und unangenehmen Emotionen beruhigen und bearbeiten kannst, das sogenannte "Self-Soothing", wenn du aufgebracht bist. In der Praxis bedeutet das, dass du, wenn du wütend, traurig oder verletzt bist, deine Emotionen auch ohne deinen Partner selbst beeinflussen und durchleben kannst. Zum Beispiel gehst du eine Runde spazieren, stehst dir mit Selbstmitgefühl zur Seite, oder meditierst, um für dich selbst da zu sein. 

Die dritte Kompetenz besteht aus der Fähigkeit, empathisch zu sein und dem Partner mit Verständnis zu begegnen, ohne von den Ängsten des anderen überfordert zu sein. Die letzte Kompetenz ist die Fähigkeit, unangenehme Gefühle und schwierige Perioden als Paar aushalten zu können. 

Bei all diesen vier Kompetenzen kann die Einzelberatung helfen. Denn in der Einzelberatung oder Therapie kannst du lernen, dein Selbstwertgefühl zu stärken, mit deinen Ängsten und schwierigen Emotionen umzugehen. Du kannst auch an deiner Kommunikationsfähigkeit arbeiten und die Beratung kann dich dabei unterstützen, wenn du durch eine schwierige Zeit gehst. 

Zusätzlich dazu, dass du viel für deine Beziehung lernst, führt außerdem die Veränderung eines Partners zwangsläufig dazu, dass etwas in der Beziehung passiert. Denn der Partner, der nicht in Beratung ist, wird die Veränderung spüren und sich unter Umständen auch verändern. Denn laut der systemischen Psychotherapie wird die Paarbeziehung als System angesehen. Die Veränderung eines Partners im System führt dann auch dazu, dass der andere sich neu positioniert oder verändert.

Was die Wissenschaft zu Vorteilen von Einzeltherapie für die Beziehung sagt

Zweifel an oder Unzufriedenheit mit der Beziehung können anstrengend und belastend sein. Sich professionelle Unterstützung durch eine psychologische Beratung zu suchen ist ein guter Weg, dieser Belastung zu begegnen. Eine Studie konnte zeigen, dass Einzelberatung zu Beziehungsthemen die psychische Belastung reduzieren konnte [2]. Das Erlernen besserer Kommunikationsfähigkeiten und Training von Emotionswahrnehmung und Empathie in einer Einzelberatung kann dein Befinden in dieser schwierigen Zeit verbessern und dich dafür stärken, dich mit deiner Beziehung auseinanderzusetzen.

Weitere Studien [3] haben gezeigt, dass Beziehungserfahrungen in der Kindheit spätere romantische Beziehungen beeinflussen können. Eine Einzelberatung bietet den Raum, über solche Erfahrungen zu sprechen und davon ausgehend Gefühle und Verhalten in der eigenen Beziehung zu reflektieren.

Wann Paartherapie hilfreich ist

Außerdem möchte ich dir noch Anna vorstellen und dir etwas mehr darüber erzählen, wieso Paartherapie in manchen Situationen sinnvoll ist.

Anna ist ebenfalls unzufrieden mit ihrer Beziehung, denn sie streitet viel mit ihrem Partner Max. In den letzten Monaten reicht schon ein kritischer Blick von Max, und schon fühlt sich Anna angegriffen und lässt ihren Ärger an Max heraus. Max hat sich immer mehr zurückgezogen und verbringt viel mehr Zeit mit seinen Freunden. Sie stecken in einem Teufelskreis fest und entfernen sich immer mehr voneinander. Anna und Max sind sehr besorgt über ihre Beziehung und wissen nicht, wie sie wieder näher zueinander finden können. Sie kommen zu einer Kennenlernsitzung zu mir, und erzählen mir, dass sie gerne mehr Verständnis und Nähe aufbauen wollen. Außerdem möchten sie lernen, wie sie respektvoll miteinander kommunizieren können.

Gute Gründe für Paartherapie

1. Ihr möchtet an Beziehungsproblemen arbeiten, die zum Beispiel eure Kommunikation/ Interaktionszyklen betreffen.

Wie Anna und Max kommen viele Paare zu mir, die in ihrer Beziehung feststecken. Die Anliegen sind oft, die Kommunikation zu verändern, Verständnis füreinander aufzubauen, und aus Teufelskreisen auszusteigen, in denen beide aufeinander reagieren. Um am gegenseitigen Verständnis zu arbeiten, wieder mehr positive Dinge gemeinsam zu erleben und zu lernen, anders miteinander umzugehen, ist eine Paartherapie sinnvoll. So könnt ihr zum Beispiel verstehen, wieso ihr beide in euren Positionen feststeckt, und lernen, wie ihr anders miteinander sprechen könnt.

2. Es hat eine Verletzung (Betrug, etc.) stattgefunden, die ihr gemeinsam verarbeiten wollt.

Für viele Paare ist ein Grund, in Beratung zu kommen, dass einer der beiden eine Affäre hat, die ans Licht gekommen ist. Das stürzt Paare oft in eine Krise, die sie gemeinsam verarbeiten wollen. Denn schließlich sind beide davon betroffen und leiden unter der Entdeckung. Es kann auch darum gehen, zu explorieren, ob und wie die Beziehung weitergehen kann.

3. Eure Bedürfnisse sind in einer wichtigen Angelegenheit nicht vereinbar und ihr findet keine Lösung.

Vielleicht möchte einer von euch in eine andere Stadt ziehen, eine andere Beziehungsform ausprobieren, oder ein Kind bekommen, der andere aber nicht. Unterschiedliche Bedürfnisse in grundsätzlichen Angelegenheiten können eine Beziehung auf die Probe stellen. Eine Paartherapie kann dabei helfen, die Bedürfnisse hinter den Wünschen zu verstehen, Verständnis zu zeigen, aus einer Sackgasse herauszukommen und eine kreative Lösung zu finden.

4. Ihr möchtet mehr über euch lernen, und die Beziehung stärken.

Ein Grund für Paartherapie kann auch der Wunsch sein, die Beziehung zu stärken und als Team mehr übereinander zu lernen. Jedes Paar hat Themen, die bearbeitet werden können. In jeder Beziehung passieren Verletzungen. Diese mit professioneller Hilfe zu bearbeiten, kann euch dabei helfen, eure Beziehung langfristig zu stärken. 

5. Einer von euch hat eine psychische/physische Erkrankung, die die Beziehung belastet

Ein Grund, weshalb Paarberatung stattfinden kann, ist auch, zu verstehen, was in der Beziehung passiert, wenn einer an einer physischen oder psychischen Erkrankung erkrankt ist. Es kann dabei in der Beratung darum gehen, wie die Erkrankung die Beziehung beeinflusst, und wie gegenseitiges Verständnis aufgebaut werden kann.

Was sagt die Wissenschaft zu Vorteilen von Paartherapie?

In einer Studie [4] haben Psychologinnen verschiedene Prozesse beschrieben, die Paartherapie effektiv machen. In einer Paartherapie können Paare lernen, Probleme in ihrer Beziehung weniger einseitig und dafür objektiver zu sehen. Außerdem können mithilfe der Therapeutin dysfunktionale, schwierige Interaktionsmuster in der Beziehung durchbrochen werden. Das Teilen von Emotionen und Bedürfnissen im geschützten Raum der Therapie ist auch ein wichtiger Bestandteil von Paartherapie, ebenso wie die Verbesserung der Kommunikation miteinander. 

Paartherapie oder Einzeltherapie

Vorteile, wenn ihr beide gemeinsam an eurer Beziehung arbeitet

In der Paartherapie finden oft “Aha-Erlebnisse” statt, wenn ihr das erste Mal die Emotionen und Bedürfnisse eures Partners auf einer tieferen Ebene hört und versteht. Oft fühlen sich Partner auch seit langem das erste Mal wieder verstanden und verbunden. Diesen Veränderungsprozess gemeinsam zu gehen, kann unheimlich bereichernd, berührend und verbindend für Paare sein. Denn gemeinsam könnt ihr euren Horizont erweitern und an der Entwicklung des anderen teilhaben. Ihr seid dabei, wenn ihr mehr über eure Emotionen und Verhaltensweisen lernt, sowie die des Partners.

Die Kombinationslösung: Einzel- und Paartherapie gleichzeitig

Vielleicht möchtest du gerne mehr über dich selbst lernen und an deinen eigenen Themen arbeiten, wünschst dir aber auch eine Veränderung deiner Beziehung. Dann kannst du dir überlegen, eine Einzeltherapie und Paartherapie gleichzeitig durchzuführen. Einige meiner Klienten, die zu mir zur Paarberatung kommen, sind gleichzeitig auch in einer Einzeltherapie. So kannst du die Vorteile von beiden Therapieformen kombinieren! Natürlich bedeutet das einen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand. Dennoch entscheiden sich einige meiner Klienten für diesen Weg. Wichtig ist dabei allerdings meines Erachtens nach, dass Einzel- und Paartherapeut nicht die gleiche Person sind. Denn die therapeutische Beziehung, die in der Einzelsitzung aufgebaut wird, würde im Ungleichgewicht stehen zum anderen Partner, der nur zur Paarsitzung kommt. Es ist für die Paarsitzungen aber sehr wichtig, dass die Beziehung zu beiden Partnern balanciert, und die miteinander verbrachte Zeit ähnlich ist.

Fazit zu Einzeltherapie oder Paartherapie

Was das richtige für dich und deine Beziehung ist, ist sehr individuell und abhängig von deinem konkreten Anliegen, sowie deinen finanziellen und zeitlichen Ressourcen. Wenn du dir unsicher bist, welche Therapieform für deine Situation am besten ist, dann empfehle ich dir, deinen Therapeuten oder Berater immer um eine Einschätzung zu fragen. Ich hoffe, du hast etwas mehr Klarheit bekommen, welche Therapieform für deine Situation passend ist! 

Bist du in einer Beziehungskrise und möchtest etwas verändern? Dann melde dich bei mir! 

Quellen:

[1] Schnarch, D. M. (1997). Passionate marriage: Love, sex, and intimacy in emotionally committed relationships. WW Norton & Company.

[2] Lohan, A., Cao, Y., Petch, J., Murray, J., & Howe, E. T. (2021). Does relationship counselling for one work? An effectiveness study of routine relationship counselling services where only one individual attends. Australian and New Zealand Journal of Family Therapy, 42(3), 320–335. https://doi.org/10.1002/anzf.1458.

[3] Wheeler, N. J., Daire, A. P., Barden, S. M., & Carlson, R. G. (2018). Relationship Distress as a Mediator of Adverse Childhood Experiences and Health: Implications for Clinical Practice with Economically Vulnerable Racial and Ethnic Minorities. Family Process, 58(4), 1003–1021. https://doi.org/10.1111/famp.12392.

[4] Benson, L. A., McGinn, M. M., & Christensen, A. (2012). Common principles of couple therapy. Behavior Therapy, 43(1), 25–35. https://doi.org/10.1016/j.beth.2010.12.009.

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Ruth Althammer entstanden.

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