Trennung oder nicht? Das große Dilemma
Du drehst dich seit Wochen im Kreis. Du hast Listen geschrieben, Gespräche geführt, dir Ratschläge geholt – aber die Unklarheit bleibt. Tief in dir spürst du, dass eine Entscheidung ansteht. Aber welche?
Wenn du in deiner Beziehung feststeckst und trotz rationaler Überlegungen keine Klarheit findest, kann eine gezielte Visualisierungsübung helfen.
In diesem Beitrag erfährst du, wie du deine unbewussten Reaktionen für eine fundierte Entscheidung nutzen kannst. Denn unser Unterbewusstsein verarbeitet eine Vielzahl an Informationen, die unserem bewussten Denken oft nicht zugänglich sind.
Wenn du zusätzlich auch rationale Tools nutzen möchtest, findest du hier ergänzende Artikel.
Klientenbeispiel Manu
Seit Monaten fühlt sich für Manu die Beziehung zu Lisa nicht mehr richtig an. Mal ist es unterschwellig, mal drängt sich das Gefühl laut in den Vordergrund. Aber sobald er daran denkt, eine Entscheidung zu treffen, blockiert ihn die Angst: Was, wenn er es bereut?
Er hat versucht, eine logische Lösung mit Pro- und Kontra Listen für ein emotionales Dilemma zu finden, und hat daher schon sehr viel über die Entscheidung nachgedacht, ist bisher aber noch nicht zu einer Entscheidung gekommen. Gedanken wie “Ich möchte sie auf keinen Fall verletzen oder egoistisch wahrgenommen werden” blockieren ihn. Daher kommt er zu mir in die Onlineberatung, und wir arbeiten mit verschiedenen Tools, um mehr an seine Gefühle heranzukommen.
So hilft Manu die Visualisierungsübung
Wir machen unter anderem auch die Visualisierungsübung. Erst stellt sich Manu sein Leben mit Lisa in 3 Jahren vor. Er kann sich den Alltag gut vorstellen, denn es würde sich kaum etwas im Vergleich zu seinem aktuellen Leben ändern. Jedoch bekommt er ein körperliches Signal von Unbehagen, er beschreibt es als Gefühl, festzustecken und nicht weiterzukommen.
Eigentlich würde er gerne zurück aufs Land ziehen, aber Lisa möchte das auf keinen Fall, also stellt er sich sein Leben in der Großstadt mit Lisa vor und kommt zu dem Schluss, dass sich das eher einengend und bedrückend anfühlt.
Dann stellt er sich vor, wie sein Leben aussähe, wenn er sich von Lisa trennt. Er stellt sich sein Leben auf dem Land vor, er verbringt mehr Zeit mit seiner Familie und Freunden, weil die viel näher an ihm wohnen würden. Er stellt sich vor, wie er am Wochenende in die Natur wandern geht und Spieleabende mit seinen Freunden verbringt. In dieser Zukunft ohne Lisa spürt er eine Leichtigkeit und Vorfreude. In der Nachbesprechung vergleicht er die beiden Szenarien und es wird klar, dass die Trennung Manu dabei hilft, seine Werte von Familie, Heimatverbundenheit, Natur zu leben.
Diese Übung hat Manu dabei geholfen, die direkten Konsequenzen der Trennung - die immer erstmals unangenehm sind - nicht zu sehr zu gewichten, sondern mehr auf die langfristigen Auswirkungen zu schauen und darauf, wie sich sein Leben langfristig entwickelt. Diese weitere Perspektive half Manu dabei, mehr Klarheit für seine Entscheidung zu bekommen.
Wieso funktionieren Visualisierungen?
Psychologen wie Daniel Kahneman haben die “Dual Process”- Modelle verbreitet, also die Theorie, dass wir Entscheidungen anhand von zwei Systemen treffen. Das System 1 ist schnell und intuitiv, verbraucht wenig Kapazitäten und trifft schnelle Entscheidungen. Es ist assoziativ und emotional. Das System 2 ist langsam und analytisch, verbraucht mehr kognitive Anstrengung, ist logischer, quasi das bewusste Denken.
Diese Visualisierung nutzt genau diesen Mechanismus: Sie umgeht die gedanklichen Blockaden und gibt dir einen direkten Eindruck davon, welche Zukunft sich für dich stimmig anfühlt.

Nun lade ich dich ein, diese Übung selbst auszuprobieren, um dein System 1, das eher emotionale, intuitive System zu aktivieren. Allerdings werde ich dir auch Fragen geben, die das eher analytische System 2 beanspruchen, um beides zu kombinieren (beispielsweise, wenn du dir bewusst die Details in beiden Zukunftsszenarien vorstellst).
In dieser Übung leite ich dich dazu an, dir deine Zukunft vorzustellen, einmal, wenn du dich für, und einmal, wenn du dich gegen die Beziehung entscheidest. Du kannst die Reihenfolge auch gerne andersherum gestalten, dann lese zuerst den zweiten Abschnitt! Nimm dir ca. 20-30 Minuten Zeit, suche dir einen ruhigen Ort, an dem du ungestört bist, und du bist bereit für die Übung!
Zukunftsreise: Deine Entscheidung in 3 Jahren
1. Entspann dich und komme in die Gegenwart
Setze oder lege dich an einen ruhigen Ort. Schließe für einen Moment deine Augen, atme tief in deinen Bauch, und atme länger aus als ein (z.B. 3 Sekunden ein, 6 Sekunden aus). Nimm dir Zeit, bei deinem Körper anzukommen und dich zu entspannen.
Entscheide dich, welches Szenario du dir zuerst vorstellen willst. Für die Übung ist es wichtig, dass du dir die Zukunft so bildlich wie möglich vorstellst, so, als würde eine Kamera dich von außen filmen und beobachten.
Szenario 1: Für die Beziehung
Stell dir vor, du steigst in eine Zeitmaschine und öffnest die Augen. Es sind drei Jahre vergangen, dein zukünftiges Ich steigt aus und wacht an einem Mittwoch auf.
Du wachst auf. Wo bist du? Wie verbringst du den Morgen? Bist du mit deinem Partner zusammen, frühstückt ihr zusammen? Welche Routinen habt ihr? Was ist anders als heute - wie fühlt sich das für dich an?
Dann gehst du arbeiten, wie fühlst du dich? Abends kommst du wieder nach Hause, wie sieht dein Feierabend aus? Wie verbringst du deine Freizeit?
Wie ist die Kommunikation mit deinem Partner? Gibt es Zärtlichkeiten, lacht ihr gemeinsam? Welche Gefühle begleiten dich durch den Tag, wenn du ins Bett gehst?
Fühlst du dich geborgen, während dein Partner da ist? Distanziert? Wie geht es dir in deinem Alltag?
Nach dem Abend, stelle dir vor, dass du an einem Samstag aufwachst.
Wie startet dein Wochenende mit der Entscheidung, deinen Partner an deiner Seite zu haben? Was planst du, wie gestaltest du den Samstag? Was tust du frühs? Welche Pläne hast du für den Tag? Wie sieht der Nachmittag und Abend aus?
Wie fühlst du dich dabei? Welche Momente erlebst du?
Gib dir genügend Zeit, um deinen Körper einmal von den Füßen bis zum Kopf zu scannen - fühlst du Druck oder eine Enge, oder eher Weite, Leichtigkeit? Versuche, die Empfindungen, die du hast, so genau wie möglich zu benennen.
Schreibe gerne deine ersten Eindrücke auf, um sie für dich festzuhalten.
Bevor du zum nächsten Szenario wechselst, stehe gerne einmal auf, schaue dich in deiner Umgebung um, kreise die Arme oder schüttle dich, um wieder in der Gegenwart anzukommen. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um deine Gefühle zu “neutralisieren”, bevor es um das nächste Szenario geht.
Szenario 2: Gegen die Beziehung
Stelle dir nun vor, du steigst wieder in die Zeitmaschine, dieses Mal jedoch hast du dich gegen die Beziehung entschieden. Du steigst also in die Zeitmaschine und wachst dann wieder an einem Mittwoch auf.
Wie fühlt sich dein Körper an, als du aufwachst? Wo bist du, wie startest du in den Tag?
Welche Routinen hast du am Vormittag? Dann gehst du arbeiten, abends kommst du wieder nach Hause, wie sieht dein Feierabend aus? Wie verbringst du deine Freizeit?
Welche schönen Momente erlebst du, was ist herausfordernd? Fühlt sich dein Körper eher beengt, zusammengezogen an, oder eher weit, leicht?
Mit welchen Menschen verbringst du Zeit? Gibt es neue Hobbies in deinem Alltag? Vermisst du deine Beziehung?
Welche Werte lebst du in dieser Zukunft?
Nach dem Abend, stelle dir vor, dass du an einem Samstag aufwachst.
Wie startet dein Wochenende? Was planst du, wie gestaltest du den Samstag? Was tust du früh? Welche Pläne hast du für den Tag? Wie sieht der Nachmittag und Abend aus?
Wie fühlst du dich dabei? Welche Momente erlebst du?
Gib dir genügend Zeit, um deinen Körper einmal von den Füßen bis zum Kopf zu scannen - fühlst du Druck, oder eher Weite, Leichtigkeit? Versuche, die Empfindungen, die du hast, so genau wie möglich zu benennen.
Schreibe dann deine Eindrücke auf, um sie später zu vergleichen.
Konsequenzen ziehen & Vergleich
Vergleiche nun beide Zukunftsbilder:
- Welche Option bringt dich deinen Werten näher?
- Wo hat sich dein Körper leichter und befreiter angefühlt? Wo schwerer, belasteter, bedrückter?
- Welche Ängste, Gedanken und Sorgen waren in beiden Szenarien präsent?
- Gibt es etwas, was dich überrascht hat?
- Welches Szenario möchtest du lieber als deine Zukunft auswählen?
- Welche Einsicht hast du gewonnen?

Fazit zu Trennung oder nicht
Nach dieser Übung hast du hoffentlich einen Eindruck bekommen, welche Zukunft sich besser für dich anfühlt. Nimm dir Zeit, die Erfahrung noch sacken zu lassen, und vertraue darauf, dass du die Antwort in dir trägst!
Möchtest du Hilfe bei Beziehungszweifeln? Dann melde dich bei mir!
Quellen
Kahneman, D. (2012). Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler.
Padilla, L. M., Creem-Regehr, S. H., Hegarty, M., & Stefanucci, J. K. (2018). Decision making with visualizations: A cognitive framework across disciplines. Cognitive Research: Principles and Implications, 3, 29. https://doi.org/10.1186/s41235-018-0120-9