Es gibt viele verschiedene Arten, Paartherapie zu gestalten - die Emotionsfokussierte Paartherapie ist eine davon. Wenn du überlegst, ob die Emotionsfokussierte Paartherapie dir und deinem Partner bei euren Schwierigkeiten helfen kann, dann ist dieser Artikel genau das richtige für dich. Ich möchte dir hier Fakten, Studien und Fallbeispiele zeigen, um dir mehr über die Emotionsfokussierte Paartherapie zu erklären. So könnt ihr überlegen, ob die Methode zu euch passt. 

Was ist die Emotionsfokussierte Paartherapie?

Die Emotionsfokussierte Paartherapie (kurz, EFT) ist eine evidenzbasierte Paartherapie, die sich mit den Interaktionsmustern von Paaren in Konflikten und den einhergehenden Emotionen beschäftigt. Sie wurde von Sue Johnson entwickelt und wird von Paartherapeuten weltweit praktiziert. 

Ziele der Emotionsfokussierten Paartherapie

Die Emotionsfokussierte Paartherapie fokussiert sich darauf, die Bindungsbeziehung zwischen beiden Partnern wieder zu reparieren und neue, sichere Bindungserfahrungen in den Sitzungen zu ermöglichen. Das hilft den Partnern dabei, die Beziehung als sicher wahrzunehmen. Ein weiteres Ziel ist, aus dem Teufelskreis aus reaktiven Reagieren auszusteigen und zu lernen, den Teufelskreis zu stoppen. Die EFT erreicht das unter anderem, indem sie Emotionen in den Fokus nimmt und die emotionale Erfahrung beider Partner neu organisiert. 

Bindungstheorie für Erwachsene

Zentraler Anhaltspunkt für die EFT ist die Bindungstheorie von John Bowlby, ein Kinderpsychiater, der zunächst die Bindung zwischen Mutter und Kind in den Fokus rückt. Er definiert Bindung als eine enge emotionale Verbundenheit zu bestimmten Personen, die nach Möglichkeit sowohl Schutz als auch Unterstützung bieten. Erfahrungen aus Interaktionen mit diesen Menschen, die als Bindungspersonen bezeichnet werden, prägen auch im späteren Verlauf unser Verständnis von Beziehungen. Während für Kinder diese Bindungspersonen meist die Eltern darstellen, ist dies bei Erwachsenen der Partner. Kommt es somit in einer Beziehung zu Problemen, können diese als Bindungsprobleme gesehen werden. 

Die Emotionsfokussierte Paartherapie geht davon aus, dass Menschen in Konflikten oft als Verfolger (“pursuer”) oder sich Vermeider (“withdrawer”) reagieren. Während der Verfolger das Bindungssystem überaktiviert und mit aller Kraft versucht, die Bindung wieder aufzubauen und zu kontrollieren, deaktiviert der Vermeider meist das Bindungssystem, zieht sich also komplett zurück und reagiert gleichgültig. Beides sind Auswirkungen einer natürlichen Stressantwort unseres Körpers, die sogenannte „Fight, Flight or Freeze" - Reaktion – man erstarrt entweder oder bereitet sich auf den Kampf oder die Flucht vor. Mehr zum Thema Bindung und Beziehung findest Du auch hier.

Wieso haben Paare Probleme? Antwort der Emotionsfokussierten Paarthearpie

In der EFT geht man davon aus, dass das Hauptproblem von Paaren, die eine Therapie aufsuchen, ein Mangel an emotionaler Sicherheit in der Beziehung ist. Die sichere Bindung zwischen den Partnern ist “beschädigt”, und es finden zu wenige Interaktionen statt, die die emotionale Sicherheit wieder aufbauen könnten. Denn generell gilt der Partner als Bindungsperson als sicherer Hafen und hilft unter anderem beim Umgang mit schwierigen Gefühlen und Gedanken. Kommt es nun in der Beziehung zu Problemen, ist diese sichere Bindung unterbrochen. Diese Unterbrechung kann als Trauma-auslösend bezeichnet werden und führt unumgänglich zu einer automatisierten Stressreaktion: Kampf, Flucht oder Erstarren. Es entsteht die bereits genannte „Verfolger-Vermeider Dynamik“.

Wie ist die Emotionsfokussierte Paartherapie aufgebaut?

Die EFT gliedert sich in 3 Phasen, die dabei unterstützen, diesem Teufelskreis zu entkommen. 

Deeskalation

Die erste Phase fokussiert sich auf die Deeskalation des Konfliktes. Ein wichtiger erster Schritt hierbei ist, den Teufelskreis, in dem das Paar sich befindet, gemeinsam zu erkennen und das Verhalten beider Parteien zu erklären. Zu Beginn finden Sitzungen statt, um die gemeinsame Geschichte des Paares zu erarbeiten, und nach Bedarf auch je eine Einzelsitzung, um die individuelle Geschichte zu verstehen. 

Wiederaufbau

In der zweiten Phase geht es um den Wiederaufbau der Bindung, hierbei werden die Bindungsbedürfnisse beider Partner offen kommuniziert und gefördert. Diese offene Kommunikation über Gefühle und Bedürfnisse geht mit einer gewissen emotionalen Verletzlichkeit einher. Damit sich beide Partner dem anderen wieder so öffnen können, muss sowohl mit Verfolger als auch Vermeider individuell gearbeitet werden. Das Paar erlebt so immer mehr Momente, in denen sie aufeinander empathisch reagieren und die Verletzlichkeit des anderen begrüßen. 

Konsolidierung

In der dritten Phase, der Konsolidierungsphase, können Konflikte bereits einfacher bearbeitet werden, da das Paar neue Techniken und ein neues Verständnis füreinander entwickelt hat. Diese Veränderungen müssen nun noch gefestigt werden.

Wie sieht eine Emotionsfokussierte Paartherapie konkret aus? Beispiel eines Paares

emotionsfokussierte Paartherapie Streit


Max und Laura kommen in die Paarberatung, weil sie sich immer häufiger streiten. Laura ist frustriert, weil sie sich mehr Initiative und Vorschläge für gemeinsame Pläne von Max wünscht, und Max ist genervt davon, dass Laura die gemeinsame Zeit wenig priorisiert, sondern immer etwas unternehmen möchte mit anderen. Die Konflikte zwischen den beiden finden immer häufiger statt, und beide verharren in der Überzeugung, dass der jeweils andere Schuld an ihren Problemen ist. In der Paartherapie schauen wir uns genauer an, was passiert, wenn Max die Wünsche von Laura nicht erfüllt. Laura fühlt sich dann zurückgewiesen, erklärt sich, dass sie zu anstrengend für Max ist, sie wird traurig und zieht sich zurück. Max wird dann wütend, weil er sich von Lauras Wünschen in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt. Er erklärt sich dann “ich bin machtlos und muss Lauras Erwartungen erfüllen”, und er sieht Laura als fordernd an. Darauf reagiert er mit einem "Verfolger"-Verhalten, das aus Angriff und Attacke besteht: Er wird laut und versucht verzweifelt, Laura von seiner Sichtweise und Überforderung zu überzeugen. In der Paartherapie erarbeiten wir den Teufelskreis und wie sie da aussteigen können. Das hilft beiden dabei, ihre Emotionen und das, was sie über sich und den anderen interpretieren, miteinander zu teilen. Dadurch können sie ihre Bindung reparieren und sich gegenseitig besser verstehen. Seitdem finden die Konflikte weniger häufig statt, und beide sind zufriedener mit ihrer Beziehung.

Studienergebnisse zur Emotionsfokussierten Paartherapie

Auch wenn das alles ganz logisch klingt, fragt sich vielleicht der ein oder andere, ob EFT nun tatsächlich wirksam ist. Mit dieser Frage haben sich bereits einige ForscherInnen beschäftigt und in verschiedenen Studien und Metaanalysen gezeigt, dass

  • EFT als Paartherapie denselben Effekt wie eine verhaltenstherapeutische Paartherapie (für viele der „Goldstandard“) hat [2].
  • EFT auch über längere Zeit die Ehezufriedenheit verbessert [3].
  • Die EFT konnte für Paare mit geringer oder Paare mit mittlerer Belastung als wirksam nachgewiesen werden [4]. Das bedeutet allerdings nicht, dass EFT die einzig wahre Therapie für Paare ist, auch andere Therapieformen schnitten in dieser Metaanalyse gut ab. Trotzdem ist es immer wichtig, dass die Therapieform zu euch passt.

Für welche Paare ist die EFT geeignet?

Es gibt manche Situationen und Paare, für die die emotionsfokussierte Paartherapie besonders gut geeignet ist. Das sind:

  • Paare, die bereit sind, die eigenen und die Emotionen des Partners besser kennenzulernen
  • Paare, die bereit sind, sich verletzlich zu zeigen, und neues Verhalten in den Sitzungen zu wagen
  • Paare, die ständig streiten, Kommunikationsprobleme haben und sich emotional voneinander entfernt fühlen
  • Paare, die ein entscheidendes Lebensereignis (z.B. Affäre, oder anderer Vertrauensbruch) erlebt haben
  • Paare, die ihre Beziehung stärken möchten 

Für welche Paare ist die EFT nicht geeignet?

Es gibt auch Situationen und Paare, für die die EFT nicht die richtige Therapieform ist. Zum Beispiel:

  • Paare, die schnelle Lösungen wollen und eine kurzzeitige Unterstützung wollen
  • Paare, die sich auf den Inhalt ihrer Schwierigkeiten fokussieren wollen
  • Wenn es körperliche Gewalt in der Beziehung gibt
  • Wenn es geheime Affären gibt, die die Partner nicht beenden wollen
  • Paare mit schweren psychischen Problemen (z.B. Schizophrenie, schwere Depression oder Sucht), wenn diese nicht auch unabhängig von der Paartherapie behandelt werden
  • Paare, die sich trennen wollen und nach einem lösungsorientierten Ansatz suchen

Zusammenfassung zur Emotionsfokussierten Paartherapie

Wie ihr gelernt habt, ist die EFT eine Methode, wie Paare ihre Schwierigkeiten überwinden können. Möchtet ihr noch mehr über die Emotionsfokussierte Paartherapie lernen? Dann findet ihr hier ein Video von Christine Weiß, das die EFT erklärt

Hier ist ein Link zu EFT Community Deutschland, wenn ihr noch mehr über die EFT lernen möchtet. Auf der Website der Gründerin der EFT, Sue Johnson, findet ihr ebenfalls weitere Informationen. Die EFT wird außerdem auch für Einzelpersonen oder Familien angewandt, mehr Informationen findet ihr auch beim internationalen Institut ICEFT für Emotionsfokussierte Paartherapie.

Habt ihr Schwierigkeiten als Paar und möchtet die Emotionsfokussierte Paartherapie kennenlernen? Dann meldet euch gerne bei mir! 

Quellen

[1] Lengning, A., & Lüpschen, N. (2019). Bindung (2. überarbeitete Auflage). UTB: Vol. 3758. München: Ernst Reinhardt Verlag.

[2] Rathgeber, M., Bürkner, P.‑C., Schiller, E.‑M., & Holling, H. (2019). The Efficacy of Emotionally Focused Couples Therapy and Behavioral Couples Therapy: A Meta-Analysis. Journal of Marital and Family Therapy, 45(3), 447–463.

[3] Beasley, C. C., & Ager, R. (2019). Emotionally Focused Couples Therapy: A Systematic Review of Its Effectiveness over the past 19 Years. Journal of Evidence-Based Social Work (2019), 1–16.

[4] Wood, N. D., Crane, D. R., Schaalje, G. B., & Law, D. D. (2005). What Works for Whom: A Meta- Analytic Review of Marital and Couples Therapy in Reference to Marital Distress. The American Journal of Family Therapy, 33(4), 273–287.

Dieser Beitrag ist entstanden in Zusammenarbeit mit Anna-Maria Hebestreit.

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