In diesem Blogartikel erkläre ich dir, wieso es wichtig ist, dass du deine Gefühle und Bedürfnisse erkennst, woher deine Schwierigkeiten kommen können, und wie du dein Bewusstsein trainieren kannst – allein und mit deinem Partner. Außerdem bekommst du anhand von Max und Luisa einen Eindruck, wie sich die Schwierigkeit in einer Beziehung äußern kann.

Gefühle und Bedürfnisse erkennen: Wo ist der Zusammenhang?

Du kannst du dir vorstellen wie mit einem Eisberg. Über der Wasseroberfläche befinden sich Gefühle. Für manche Menschen befinden sich nur ganz intensive Gefühle wie z.B. starke Trauer über der Wasseroberfläche, und für andere wesentlich subtilere Gefühle. Unter Wasser befinden sich die Bedürfnisse. Um Bedürfnisse zu erkennen, müssen sich die meisten Menschen bewusst Zeit nehmen, um zu reflektieren und in sich hineinzuspüren. Bedürfnisse sind weniger direkt zugänglich, sondern du spürst die Erfüllung oder nicht-Erfüllung eines Bedürfnisses durch die Emotionen. Bist du also z.B. traurig, dann kannst du dich fragen: Welches Bedürfnis war hier nicht erfüllt? Vielleicht ist es das Bedürfnis nach Anerkennung, wenn du dir mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung von deinem Partner wünschst.

Wieso ist es problematisch, wenn ich meine Gefühle und Bedürfnisse nicht erkenne?

Wenn du nicht im guten Kontakt zu deinen Gefühlen und Bedürfnissen bist, dann kann das einige problematische Auswirkungen auf dein Leben und deine Partnerschaft haben.

  • Nicht wissen, was du willst: Wenn du gewöhnt daran bist, deine Bedürfnisse und Gefühle nicht wahrzunehmen, dann hast du vielleicht auch Schwierigkeiten damit, klar zu wissen, was dir wichtig ist. Das kann dazu führen, dass du Schwierigkeiten hast, Entscheidungen zu treffen.
  • Starke Anpassung: Oft folgt aus einer Schwierigkeit, deine Bedürfnisse und Gefühle zu kennen, eine stake Anpassung an die Bedürfnisse anderer. Denn wenn dein Gegenüber klar äußert, was er will, du aber nicht, dann neigst du vielleicht dazu, dich den Bedürfnissen des anderen unterzuordnen.
  • Explodieren, wenn es zu viel wird: wenn du in keinem guten Kontakt zu deinen Gefühlen stehst, dann nimmst du vielleicht nur starke Emotionen wahr, und hast Schwierigkeiten, die subtileren Gefühlsänderungen wahrzunehmen. Das kann dazu führen, dass du lange nichts ansprichst, und irgendwann dann einen Ausbruch an Wut oder Traurigkeit erlebst.

Max und Lisa sind gerade kurz vor der Urlaubsentscheidung. Die beiden sind schon seit einigen Jahren zusammen, und Max sagt oft, was er gerne tun möchte und was ihm wichtig ist, und Luisa fühlt sich von dieser Bestimmtheit manchmal überrollt. Tatsächlich spürt Luisa ihre Emotionen schon, aber versteht oft die Bedürfnisse dahinter wenig.

Donnerstagabend, Max und Luisa machen Urlaubsplanung für den Sommer und Suchen gerade Angebote heraus. Max möchte unbedingt eine Fernreise machen, und sie sind bereits kurz vor der Buchung. Luisa merkt, wie sie einen Druck im Bauchbereich spürt und sie still wird, weiß aber nicht richtig, wieso.

Dadurch, dass Max sein Bedürfnis und seine Wünsche so deutlich äußert, fühlt sich Luisa überfordert und traurig. Sie hat einen weniger guten Kontakt zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen und braucht Zeit für sich, um herauszufinden, was sie möchte.

Woher kommen die Schwierigkeiten beim Erkennen der Gefühle und Bedürfnisse?

Emotionales Coaching & Modelllernen durch die Eltern

Eine wichtige Rolle in dem, was du über den Umgang mit Emotionen und Bedürfnissen lernst, sind deine Eltern. In seinem Buch über das Training emotionaler Kompetenzen schreibt Matthias Berking, dass Eltern das auf zwei Wegen machen können. Denn sie können einerseits durch sogenanntes „emotionales Coaching“ direkt, andererseits auch durch eine Modellfunktion indirekt beeinflussen, was du über den Umgang mit Emotionen in deiner Kindheit gelernt hast. Indem sie dich emotional coachen, geben Sie Vermutungen zu deinen Gefühlen ab, warum du dich so fühlst, und Verständnis zeigen. Außerdem signalisieren sie Unterstützung dabei, wie du mit der Situation umgehen kannst.

Bedürfnisse erkennen Rolle der Eltern

Außerdem können deine Eltern dir etwas über den Umgang mit Emotionen lehren, indem sie selbst als Modell fungieren. Ist deine Mutter z.B. wütend, und kann diese Emotion gut regulieren, dann kannst du aus ihrem Verhalten lernen, wie du selbst mit Wut umgehen kannst. Auch über Bedürfnisse geben sie dir viel von Ihrem Umgang weiter: sprechen deine Eltern darüber, was sie brauchen? Ist es in deiner Familie okay, zu äußern, was man sich wünscht? Gab es früher Raum für deine Bedürfnisse?

Unausgesprochenen Familienregeln und Überzeugungen 

Auch über diese Erfahrungen in der Kindheit hinaus beeinflusst dich der Umgang deiner Eltern mit Emotionen und Bedürfnissen. Gibt es so z.B. die unausgesprochene Regel in deiner Familie, dass Gefühle wie Wut und Trauer unangemessen sind, so prägt dich das auch später noch. Doch nicht nur das, deine Eltern haben dich auch mit ihren Überzeugungen geprägt: Hast du so z.B. verinnerlicht, dass du dich anderen anpassen musst und deine Bedürfnisse und Gefühle nicht wichtig sind, begleitet dich diese Überzeugung auch in anderen Beziehungen.

Einfluss von Institutionen

Doch es sind nicht nur unsere Eltern, die einen Einfluss auf den Umgang mit Emotionen und Bedürfnissen haben. Emotionale Kompetenzen werden auch in anderen Kontexten, z.B. unserem Schul-und Universitätssystem wenig gefordert. Das alles führt dazu, dass viele Menschen erst, wenn sie in einer Krise angekommen sind, beginnen, sich mit ihren Emotionen tiefergehend zu beschäftigen und in besserem Kontakt zu sich selbst zu stehen.

In Luisas Familie wurden Emotionen und Bedürfnisse weniger direkt ausgedrückt. Ihre Eltern waren beruflich viel eingespannt und sind viel, auch mit ihr als kleines Kind, gereist. Seit Luisa jung ist, hat sie daher gelernt, sich den Bedürfnissen ihrer Eltern anzupassen. Ihre Eltern haben sich unwohl gefühlt, wenn sie wütend oder traurig war als Kind, und haben sie daraufhin schnell abgelenkt. Daher hat Luisa es nicht wirklich gelernt, auf ihre Emotionen zu erkennen oder sie auszudrücken.

Was sind die Vorteile, wenn du deine Bedürfnisse und Gefühle erkennst?

Wenn du lernst, in besseren Kontakt mit dir zu kommen, dann hat das eine Reihe an Vorteilen. Das sind einiger der Vorteile, die ich aus eigener sowie der Erfahrung meiner Klienten gesehen habe:

  • Einfacher Entscheidungen treffen. Wenn du weißt, was du brauchst und möchtest, dann fällt es dir auch oft leichter, größere Entscheidungen zu treffen. Bist du z.B. unzufrieden mit deiner Beziehung, aber weißt nicht wirklich, welche Bedürfnisse du hast und welche die Beziehung für dich erfüllt, dann hilft dir ein Kontakt mit deinen Bedürfnissen und Gefühlen dabei, dir eine Richtung für deine Entscheidung für oder gegen die Beziehung zu geben.
  • Verbundenheit mit dir selbst. Dadurch kannst du mehr verbunden sein mit dem, was du selbst brauchst. Es ist außerdem ein schönes Gefühl, dich mit dir selbst im Einklang zu fühlen und dich für die Dinge einzusetzen, die du brauchst.
Bedürfnisse erkennen Verbundenheit mit dir selbst
  • Chance für höhere Beziehungszufriedenheit. Wenn du es auch noch schaffst, deine Bedürfnisse zu kommunizieren (wie, kannst du hier lesen), dann hast du eine höhere Wahrscheinlichkeit, die Beziehungen so zu gestalten, wie du es brauchst und es dir guttut. Denn du bringst deine Bedürfnisse auf den Verhandlungstisch, um mit deinem Partner Lösungen zu finden.

Als Luisa ihre Gefühls- und Bedürfnis-Innenwelt besser versteht, lernt sie dadurch, was sie selbst möchte und braucht. Wenn sie in sich hineinspürt, dann spürt sie ihre Traurigkeit, weil sie ihr Bedürfnis nach Zeit mit ihrer Familie im Urlaub wahrnimmt. Wenn sie dies spürt, kann sie Max sagen, dass ihr die Reise mit ihm, aber auch Zeit mit ihrer Familie wichtig ist, und sie können einen Kompromiss finden, indem auch ihre Bedürfnisse berücksichtigt sind.

Training zum besseren Spüren deiner Gefühle und Bedürfnisse

Doch es gibt eine gute Nachricht: Du kannst deine Fähigkeit, Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, trainieren! Aus der Erfahrung mit meinen Klienten und meiner eigenen persönlichen Erfahrung habe ich dir ein paar Tipps dazu zusammengestellt.

1. Meditation

Eine Möglichkeit, wie du dein emotionales und Bedürfnis-Bewusstsein trainieren kannst, ist, regelmäßig zu meditieren. Es gibt Meditationen, die extra darauf fokussiert sind, in deinen Körper zu spüren und verschiedene Empfindungen wahrzunehmen, wie z.B. der „Bodyscan“. Auch generelles Meditieren kann dir helfen, dich selbst und deine Gefühle und Gedanken besser beobachten zu können.

2. Setze Termine mit dir selbst an

Außerdem kannst du folgende Übung anwenden: Stelle dir alle paar Stunden eine Erinnerung auf deinem Handy ein, und schließe deine Augen und halte inne: Was spürst du jetzt gerade? Welche Gefühle, Körperempfindungen kannst du wahrnehmen? Wie würdest du das beschreiben? Wie kannst du dieses Gefühl benennen? Welches Bedürfnis könnte dahinterstecken?

3. Hineinspüren in mithilfe von Gefühls- und Bedürfnislisten

Als kleine Auffrischung deines Gefühlsvokabulars kannst du außerdem einmal täglich Listen, wie z.B. diese Gefühlsliste (auf englisch), mit Gefühlswörtern hernehmen. Spüre dann erst in dich hinein, und nimm dann die Liste zur Hand, um deinem Empfinden ein Wort zu geben. Nimm als nächstes auch die Liste mit Bedürfniswörtern (findest du hier) zur Hand, um deinem Bedürfnis zu erkennen.

4. Regelmäßiges Training

Mache es dir zur Gewohnheit, regelmäßig mit dir selbst in Kontakt zu kommen. So wirst du mit der Zeit immer besser im Identifizieren deiner Emotionen. So kannst du auch mehr Gefühle benennen und deinen Gefühlswortschatz erweitern.

5. Verstehe den Bezug zur Vergangenheit

Frage dich, wie deine Eltern mit den verschiedenen Emotionen umgegangen sind (Wut, Trauer, Scham, etc.). Frage dich außerdem, was du für Grundüberzeugungen mitgenommen hast und wie du dadurch geprägt wirst.

6. Beratung/Therapie

Gemeinsam mit einem Psychologen oder Psychotherapeuten kannst du auch deine Gefühlswelt erkunden. Du kannst unter anderem erkunden, welche unausgesprochenen Familienregeln dich beeinflussen, welche Überzeugungen du durch deine Kindheit erlangt hast und daran arbeiten, diese zu verändern.

Wie dich dein Partner beim Emotions- und Bedürfnistraining unterstützen kann

Wenn du in einer Beziehung bist, dann kannst du auch deinen Partner mit in dein Projekt einbinden. Eine Möglichkeit ist, zusammen eine Gewohnheit daraus zu machen, euch nach euren Gefühlen und Bedürfnissen zu fragen und z.B. gemeinsam Gefühle zu benennen.

Außerdem kannst du mit deinem Partner auch deine Schwierigkeiten teilen, und vor kleinen und großen Entscheidungen bitten, dich auf deine Bedürfnisse hinzuweisen.

Luisa kommt in die Beratung zu mir und wir erarbeiten, wie ihre Kindheit mit ihrer Schwierigkeit, Emotionen und Bedürfnisse zu spüren, zusammenhängt. Außerdem erkunden wir ihre Überzeugungen, die z.B. „ich darf nicht wütend sein“ beinhalten. In Meditationen und mit regelmäßigen Gefühls-Check-ins arbeitet Luisa selbst daran, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu spüren. Außerdem hat sie mit Max darüber geredet, dass es ihr schwerfällt, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen. Max hat eingewilligt, sie dabei zu unterstützen, indem er sie bei gemeinsamen Entscheidungen fragt, was sie gerade braucht und ihr Zeit gibt, das für sich herauszufinden.

Zusammenfassung zum Erkennen von Bedürfnissen und Gefühlen

In diesem Blogpost hast du gelernt, welche Vorteile dir es bringt, wenn du deine Gefühle und Bedürfnisse spürst. Außerdem hast du gelernt, woher die Schwierigkeiten im Erkennen deiner Gefühle und Bedürfnisse kommen können. Du hast außerdem praktische Tipps bekommen, wie du Selbst und mit Hilfe deines Partners besser dein Bewusstsein für Gefühle und Bedürfnisse trainieren kannst. 

Möchtest du daran arbeiten, deine Bedürfnisse und Gefühle besser zu erkennen und zu verstehen? Dann melde dich gerne bei mir!

Quellen

  • Berking, M. (2017). Training emotionaler Kompetenzen. (4. Aufl.). Springer.


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