Ich suche mir immer Partner aus, die mir nicht guttun, weiß aber nicht, wieso. Ich wünsche mir sehr einen wertschätzenden, zuverlässigen und liebenden Partner. Trotzdem fühle ich mich aber magisch angezogen von Menschen, die unzuverlässig, kühl und unsensibel sind und auf etwas Unverbindliches aus sind. Deshalb gerate ich immer wieder an die letzteren Männer. Nach kurzer Zeit bin ich dann frustriert und enttäuscht. Wie kann ich meine Anziehung zu diesen Menschen, die mir nicht guttun, verändern? Beeinflusst meine Herkunftsfamilie eine potenzielle Partnerschaft?

- Anna, 32

Bindungsstile als Verhaltensmodelle

Dich mit deinem eigenen Bindungsstil auseinanderzusetzen, ist der erste Schritt, um mehr Bewusstsein über dein Verhalten im Dating oder in Beziehungen zu erlangen. Daher kannst du hier mehr über Bindungsstile lesen, um dir Anhaltspunkte zu geben, welchen Bindungsstil du womöglich hast:

Bindungsstile sind über das Leben hinweg und verschiedene Beziehungen recht stabil. Dennoch können sie durch Psychotherapie verändert werden-dazu gibt es aber noch nicht viel Literatur. Der Forscher John Bowlby ist in seiner Forschung darauf aufmerksam geworden, dass wir in unserer Kindheit gewisse Beziehungsmuster erlernen, die sozusagen als unser inneres Beziehungsmodell fungieren. Diese wenden wir dann auf verschiedene Beziehungen, die wir auch später haben, an. Dies ist natürlich ein unbewusster Prozess, der aber großen Einfluss darauf hat, wie wir uns in Beziehungen verhalten und wie wir diese gestalten. Wir entwickeln laut dieser Theorie einen von drei Bindungsstilen, die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen bestimmt werden können. Die Bindungsstile bei Erwachsenen können in drei Kategorien eingeteilt werden: Der sichere, der unsicher-vermeidende und unsicher-ängstliche Bindungsstil.

Die drei Bindungsstile
herkunftsfamilie partnerschaft sichere Bindung

Sichere Bindung


Der sicher gebundene Erwachsene zeigt sich in der allgemeinen Interaktion als offen, proaktiv und vertrauensvoll. Bei emotionalem Stress kann er sich Unterstützung suchen. Mit dem Partner zeigt sich dieser Bindungstyp vertrauensvoll, und akzeptiert die gegenseitige Abhängigkeit. In Konfliktsituationen kann konstruktiv kommuniziert werden und an einer Lösung des Konfliktes gearbeitet werden.

Herkunftsfamilie Partnerschaft unsicher vermeidende Bindung

Unsicher-vermeidende Bindung

Der unsicher-vermeidende Erwachsene kennzeichnet sich durch Schwierigkeiten, nach Hilfe zu fragen und diese zu akzeptieren. Außerdem neigt er zu emotionalem Rückzug. Als Selbstschutz vor der Angst, den Partner zu verlieren, zeigt er sich distanziert und unabhängig. Deshalb reagiert dieser Typ in Konflikten auch misstrauisch und unsicher.

Herkunftsfamilie Partnerschaft unsicher ängstliche Bindung

Unsicher-ängstliche Bindung

Der dritte Bindungstyp, der unsicher- ängstliche Bindungstyp, kennzeichnet sich im Allgemeinen durch eine Stresssensibilität und Schwierigkeiten, mit Emotionen umzugehen. Wenn es zu emotionalem Stress kommt oder Bindungsbedürfnisse nicht erfüllt sind, reagiert dieser Typ mit schneller Frustration und Verärgerung. Um seine Bedürfnisse zu erfüllen, agiert dieser Typ ängstlich, fordernd und kontrollierend. Zentral für den unsicher- ängstlichen Bindungstyp ist auch die Angst, nicht geliebt zu werden, und ein daraus resultierendes Klammerverhalten an den Partner.

Wenn du deinen Bindungsstil kennst, dann kann dir das dabei helfen, dein Verhalten im Dating und in Beziehungen besser zu verstehen. Wahrscheinlich gibt es Verhaltensweisen, die du öfter zeigst. Wenn du dich selbst dabei ertappst, dich zum Beispiel hinter einer unsicher-vermeidenden Verhaltensweise zu schützen, hast du durch das Verständnis die Chance, dein Verhalten zu verändern. So kannst du nach und nach ein anderes Verhalten trainieren.

Kindheitsmuster erkennen und bearbeiten

Der nächste Schritt, wenn du beginnst, dich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist, zu verstehen, wie deine Kindheit und Herkunftsfamilie deine Paarauswahl beeinflusst. Anna fragt, wieso sie Partner auswählt bzw. sich von Menschen angezogen zu fühlt, die ihr nicht guttun. Aus einer psychoanalytisch-psychodynamischen Perspektive wird dies so erklärt, dass wir in unserer Kindheit Verletzungen mit einem unserer Elternteile erlebt haben. Dies kann z.B. ein emotional abwesender Elternteil sein, Elternteile, die wenig in der Erziehung involviert sind und wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen, etc. 

Anziehung als Versuch, Kindheitsverletzungen zu heilen

Diese frühen Kindheitsverletzungen versuchen wir dann in der Paarbeziehung zu heilen, indem wir eine bessere Lösung für diese verletzende Situation als mit unserem Elternteil finden wollen. Hattest  du so beispielsweise einen Vater, der wenig anwesend war oder dich nicht ausreichend wertgeschätzt hat, so kann es sein, dass du Partner auswählst, die dieses Muster ebenfalls zeigen, dir also z.B. nicht die emotionale Wärme und Wertschätzung geben, die du eigentlich suchst. Dies ist ein sehr problematischer Prozess, weil häufig Partner mit genau diesen Charakteristiken eher die Situation mit den Eltern wieder-inszenieren, anstatt die Kindheitsverletzungen aufzulösen. In der psychodynamischen Therapie ist die Lösung für Annas Frage daher, sich in der Therapie mit diesen unbewussten Anziehungsmustern auseinanderzusetzten. Dies bedeutet, den Zusammenhang von aktuellen Beziehungserfahrungen und der Kindheit bewusst zu machen, und dadurch die Anziehung für einen Typ Mensch Schritt für Schritt zu verlieren.

Selbstbewusstsein & Selbstmitgefühl als Lösung

Eine weitere Möglichkeit, wie du mit der Situation umzugehen kannst, ist auch, Selbstmitgefühl und Selbstbewusstsein zu üben. Das kann dir einerseits dabei helfen, nicht zu hart zu dir zu sein, wenn du wieder in alte Muster verfällst. Andererseits kannst du dir dadurch selbst die Bestätigung und Wertschätzung geben, die du sonst möglicherweise in Partnern suchst. Dies kann dann auch dazu führen, dass du dich als Konsequenz selbst so wertschätzt, dass du nur noch Partner auswählst, die dir auch guttun und die Charakteristiken besitzen, die du eigentlich wertschätzt. 

Fazit zu Einfluss Herkunftsfamilie auf Partnerschaft

Die Erfahrung mit unserer Herkunftsfamilie beeinflusst uns einerseits durch den Bindungsstil, den wir in unserer Kindheit erlernt haben. Andererseits auch durch die Verletzungen in unserer Kindheit, die wir mit späteren romantischen Partnern heilen wollen. Unsere Kindheit hinterlässt somit deutliche Spuren in uns, denn sie beeinflusst die Art und Weise, wie wir romantische Partner auswählen und uns in Beziehungen verhalten.

Willst du deine eigenen Verhaltensmuster im Dating oder in Beziehungen verstehen? Suchst du auf deinem Weg hin zu mehr Selbstakzeptanz und Selbstmitgefühl Unterstützung? freue ich mich, dich dabei zu begleiten!

Ich bin gespannt, davon zu hören, was du zu dem Thema denkst und ob du dich selbst schon damit beschäftigt hast!

Quellen:

Casado-Kehoe, M., & Kimball-Parker, D. (2015). Key issues and interventions in Couples Counseling. In D. Capuzzi & M. D. Stauffer (Eds.), Foundations of couples, marriage, and family counseling (pp. 289–316). Wiley.

Gottlieb, L. (2019). Vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden (1st ed.). München: hanserblau.

Taylor, P., Rietzschel, J., Danquah, A., & Berry, K. (2015). Changes in attachment representations during psychological therapy. Psychotherapy Research: Journal of the Society for Psychotherapy Research25(2), 222–238. https://doi.org/10.1080/10503307.2014.886791.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}
>