Wie in letzter Zeit sehr oft, streiten Martin und Sabine wieder. Sabine merkt, dass sie in letzter Zeit in diesen Situationen immer häufiger der Gedanke aufkommt: “Wieso trenne ich mich nicht einfach?”. Gerade, wenn sie sehr wütend und aufgebracht ist, denkt sie darüber nach, und spricht es manchmal auch im Streit aus. Es verwundert sie selbst, dass sie bei jedem Streit an Trennung denkt. Das verletzt Martin auch sehr, und danach fühlt sich Sabine oft schlecht und es tut ihr sehr leid. Dennoch kommt der Gedanke immer wieder auf. Sabine ist etwas ratlos und fragt Freunde nach Ideen, wie sie mit der Situation umgehen kann.

Konflikte und Streit sind Teil jeder Beziehung, doch wenn sich der Gedanke an eine Trennung immer mehr einschleicht, dann ist das etwas, was dich verständlicherweise sehr verunsichern kann. Daher möchte ich mit dir meine Erfahrung als Beziehungs- und Paarberaterin teilen, 

Ich möchte dich dabei unterstützen, für dich zu entdecken, was dieser Gedanke für dich bedeutet, und wie du ihn konstruktiv nutzen kannst, um mehr über dich und deine Beziehung zu lernen.

Emotionale Reaktionen im Streit identifizieren & verstehen

Wenn du eine Emotion intensiv erlebst, dann ist es genau in dem Moment häufig schwierig, genau zu entschlüsseln, woher die Emotion kommt und was sie für dich bedeutet. Denn wenn wir starke Emotionen fühlen, ist der rationale Anteil unseres Gehirns, der präfrontale Kortex, blockiert. Im Streit mit deinem Partner bedeutet das, dass du keinen Zugang zu deinem logisch denkenden Anteil des Gehirns hast. Stattdessen regulieren Emotionen deine Reaktion. Dennoch macht es Sinn, etwas genauer hinzuschauen, was du fühlst, um die Botschaft, die dein Körper dir sendet, zu entschlüsseln. Denn letztendlich sind Emotionen Botschaften des Körpers, die dir ein Feedback darüber geben, ob etwas gut oder schlecht für dich ist. 

Frage dich in einer ruhigen Minute daher, welche Emotionen du spürst, wenn du im Streit mit deinem Partner bist. Bist du wütend? Traurig? Genervt? Fühlst du dich von deinem Partner entfremdet? Frage dich dann, wieso du diese Emotion spürst, und was sie mit dem Konflikt zu tun hat;

Sabine ist im Streit meistens sehr wütend, das spürt sie an einem Druck auf der Brust. Als sie sich mehr Zeit nimmt, über die Emotionen nachzudenken, fällt ihr auf, dass sie schon länger das Gefühl hat, dass Martin ihre Bedürfnisse nicht ernst nimmt. Sie wünscht sich eigentlich, dass Martin und Sabine mal gemeinsam tanzen gehen, oder ein anderes Hobby gemeinsam anfangen, doch Martin ignoriert das bisher. Daher sitzen sie am Wochenende abends oft vor dem Fernseher und schauen Netflix. Das frustriert Sabine sehr, und die Wut ist eine Emotion, die durchaus Sinn macht: Es bedeutet, dass ihre Wünsche von Martin nicht ernst genommen werden, und dass sich Sabine damit nicht wohl fühlt.

Trennungsgedanken als Signal anerkennen 

Zunächst ist der Gedanke an die Trennung für dich ein Signal, dass du ernst nehmen solltest. Es bedeutet, dass etwas in der Beziehung - die Art, wie ihr streitet, oder in der Beziehung allgemein - nicht so ist, wie du es möchtest. Dein Körper signalisiert dir damit, dass es nicht passt, und sucht einen möglichen Ausweg aus der Situation - der Gedanke an die Trennung. 

Daher ist es im ersten Schritt wichtig, diesen Gedanken zu akzeptieren und wohlwollend damit umzugehen. 

Nimm dir ein paar ruhige Minuten, atme tief ein und aus und sage zu dir selbst: Danke, Körper, dass du mich auf etwas hinweist, was ich sonst vielleicht ignorieren würde. Danke für diese Botschaft, und das Signal, dass du mir sendest. Ja, da sollte ich genauer hinschauen.

Bei jedem Streit denkst du an Trennung? Den Trennungsgedanken Normalisieren

Wenn die Beziehung gerade durch eine schwierige Phase geht, ist es auch ganz normal, dass du an Trennung denkst. Das tun die meisten Menschen an verschiedenen Punkten in der Beziehung. Und auch in glücklichen Beziehungen gibt es schwierige Phasen, wo es ganz normal ist, auch mal über eine Trennung nachzudenken. Dafür musst du dich überhaupt nicht schlecht fühlen. Es ist okay, dass du an Trennung denkst, du musst hier erstmal gar nichts verändern! Versuche daher, den Gedanken einfach anzunehmen und zu akzeptieren, und nicht wegzudrücken. 

Als Sabine sich öffnet und mit ihren Freunden über die Situation spricht, bestätigen ihr viele, dass sie auch immer mal wieder an eine Trennung denken. Sogar Lisa, die eigentlich sehr zufrieden mit ihrer Beziehung ist, kennt diese Gedanken. Sabine ist schon etwas beruhigt und versteht jetzt, dass es auch zu jeder glücklichen Beziehung dazu gehört, ab und zu mal zu zweifeln oder an Trennung zu denken.

Konflikte in der Beziehung gestalten

Ein möglicher Grund, wieso du bei jedem Streit an Trennung denkst, können zum Beispiel fehlende Kommunikationsfähigkeiten sein. Vielleicht habt ihr noch nicht gelernt, wie ihr effektiv mit Konflikten umgehen könnt, und braucht etwas mehr Input dazu. Denn auch du hast es mit in der Hand, wie Streit und Konflikte in deiner Beziehung gestaltet sind. Auch, wenn Konflikte zu jeder Beziehung dazu gehören und sogar wichtig sind, kannst du etwas daran verändern, wie du streitest. Wenn du Konflikte konstruktiver angehst, kann das schon dazu führen, dass sich die Situation etwas entspannt und dein Gedanke an Trennung weniger häufig aufkommt. Achte daher zum Beispiel darauf, dass ihr ein Stopp-Wort ausmacht, und du es nutzt und einen Konflikt verlässt, wenn ihr euch nur im Kreis dreht und der Konflikt eskaliert. Du kannst die Person sein, die dann den Raum verlässt. Übe dich im aktiven Zuhören, indem du auf die Gefühle und Bedürfnisse deines Partners hörst und versuchst, diese zu verstehen. Versuche auch möglichst konstruktiv mit deinem Partner zu kommunizieren, indem du Schuldzuweisungen vermeidest und Ich-Botschaften verwendest. In dem Blogartikel hier kannst du noch mehr darüber lernen, wie du deine Kommunikationsfähigkeiten trainieren kannst.

bei jedem Streit denke ich an Trennung

Bei jedem Streit denke ich an Trennung - Warum ist das so?

Zusätzlich zu fehlenden Kommunikationsfähigkeiten kann auch deine eigene Biographie hier eine Rolle spielen: Wenn deine Eltern zum Beispiel kein Rollenmodell für eine stabile, erfüllte Beziehung dargestellt haben, und du stattdessen viele, hitzige Konflikte erlebt hast, kann das oftmals dazu führen, dass man ähnliche Dynamiken in der eigenen Beziehung wiederholt. Aber auch deine eigenen, vergangenen Verletzungen und Enttäuschungen können eine Rolle spielen. Vielleicht wurdest du zum Beispiel verlassen, und das Erlebnis war so schwierig für dich, dass du als Reaktion darauf bei Beziehungsschwierigkeiten jetzt lieber die Person bist, die die Beziehung verlässt und daher der Gedanke an Trennung aufkommt. Auch dein Bindungsstil kann hier eine Rolle spielen: Für manche unsicher-vermeidend gebundene Menschen kann ein Gedanke an Trennung bei Schwierigkeiten eine Möglichkeit sein, mehr emotionale Distanz aufzubauen und sich aus der Beziehung gedanklich zurückzuziehen. Mehr über Bindungsstile erfährst du in meinem Blogartikel zum Thema Bindung.

Deine eigenen Gründe für den Trennungsgedanken verstehen

Daher ist es wichtig, dass du selbst verstehst, woher dieser Gedanke an Trennung kommt. Das kann von Person zu Person unterschiedlich sein und etwas Unterschiedliches bedeuten. Du kannst dir folgende Fragen stellen: 

  • Womit genau bist du genau in der Beziehung unzufrieden? 
  • Was frustriert dich am meisten?
  • Gibt es bestimmte Bedürfnisse oder Wünsche von dir, die du vielleicht nicht äußerst oder dein Partner noch nicht erfüllt? 
  • Gibt es vergangene Enttäuschungen oder Vertrauensverletzungen, die noch nicht verarbeitet sind? 
  • Gibt es bestimmte Muster, die du bei dir in Beziehungen entdeckst? Wie waren deine bisherigen Beziehungserfahrungen? 
  • Wie hast du bisher Konflikte in deinen Beziehungen gestaltet? 
  • Erkennst du Überzeugungen, die du in Beziehungen hast, und die in Konflikten eine Rolle spielen? 
  • Was sind die Beziehungsmodelle, die du in deiner Kindheit gesehen hast? 

Frage dich genau, womit du unzufrieden bist und woher das kommt. Wenn du dir die Zeit nimmst, für dich zu reflektieren, was dich so unzufrieden macht, und wie das mit bisherigen Beziehungserfahrungen zusammenhängt, bist du schon einen Schritt näher daran, etwas für dich und deine Beziehung zu lernen und auch zu verändern.  

Sabine hat für sich verstanden, dass sie in Beziehungen, ähnlich wie ihre Eltern, dazu tendiert, ihre eigenen Bedürfnisse nicht oft genug oder klar genug ausdrücken. Sie hat in der Beziehung ihrer Eltern gesehen, dass Wünsche oder Bedürfnisse meist ignoriert wurden. Das wiederholt sie jetzt mit Martin, indem sie oft auf eine Initiative von Martin wartet und selten darüber spricht, was sie sich wünscht. Sie hat erkannt, dass sie die innere Überzeugung trägt, dass ihre eigenen Bedürfnisse nicht wichtig sind, und dass ihr Partner wissen sollte, was sie braucht, ohne dass sie es sagt. Wenn sie unzufrieden ist, neigt sie, ähnlich wie ihre Mutter, dazu, wütend zu werden und zu explodieren. Weil sie schon so lange frustriert über einige Dinge in der Beziehung ist, platzt das dann nur so aus ihr heraus.

Mit dem Partner darüber sprechen

Auch ein Gespräch mit deinem Partner kann in diesem Prozess wichtig sein. Teile mit deinem Partner, was dich belastet oder unzufrieden macht, und was du im Reflektionsprozess über dich gelernt hast. Im nächsten Schritt könnt ihr auch gemeinsam nach Lösungen suchen, die für euch funktionieren können und euch dabei helfen, eure Beziehung zu stabilisieren. 

Sabine sucht das Gespräch mit Martin und erklärt ihm, was sie über sich gelernt hat. Sie spricht über ihre Frustration und ihre Bedürfnisse, und darüber, wie schwer es ihr manchmal fällt, diese klar auszudrücken. Außerdem machen sie ein Stopp-Signal aus, um den nächsten eskalierenden Konflikt rechtzeitig zu stoppen. Martin reagiert verständnisvoll und hat jetzt erst richtig verstanden, wie wichtig ihr die gemeinsamen Unternehmungen sind, und sich dafür entschuldigt und sie beide zu einem Tanzkurs angemeldet.  

Inventar von der Beziehung nehmen

Zusätzlich zu den schon genannten Reflexionsfragen kannst du den Gedanken an Trennung auch einmal ganz bewusst als Anlass nehmen, um Inventar zu nehmen von der Beziehung. Hierfür kannst du eine ganz einfache Pro-und Kontra-Liste erstellen, von Dingen, die dir die Beziehung gibt, und Dinge, die schwierig für dich sind. Auch wenn das eine sehr nüchterne Möglichkeit ist, die Beziehung zu evaluieren, kann es manchmal schon Aha-Erlebnisse bringen. Wenn du mehr darüber lernen möchtest, ob die Beziehung für dich das Richtige ist, dann findest du hier einen Blogpost zum Thema. 

Von störenden Gedanken distanzieren

Ich möchte mit dir eine Übung aus der Akzeptanz- und Kommitmenttherapie teilen. Wenn du merkst, dass du dich trotz der Reflexion nicht genug von störenden Gedanken an die Trennung distanzieren kannst, dann empfehle ich dir, diese Übung auszuprobieren. Sieh die Übung dabei wie ein Experiment. Denn für manche Menschen funktioniert diese Technik gut, für andere funktioniert sie nicht gut. Das Ziel der Übung ist, dass du dich von dem Gedanken an die Trennung gedanklich distanzierst, und dann das tun kannst, was wichtig ist für dich, zum Beispiel, deinem Partner zuzuhören. So kannst du dich ganz auf das Leben einlassen, anstatt dich in deinen Gedanken zu verlieren. Dabei ist sehr wichtig, dass es nicht darum geht, dass du den Gedanken ignorieren sollst oder dich anders fühlen sollst. Stattdessen darf der Gedanke kommen und gehen in seinem eigenen Rhythmus, und du musst dich nicht darin verlieren.

Bei jedem Streit denke ich an Trennung - Distanzierungsübung

Phase 1 - Gedanke an Trennung

Denke für eine Minute, so stark du kannst, immer wieder an den Gedanken: ich möchte mich trennen. Lass dich ganz davon vereinnahmen, glaube ganz fest daran, fühle es.

Was passiert für dich? Wie sehr fühlst du dich mit dem Gedanken identifiziert? 

Phase 2 - ich habe den Gedanken, dass...

Als nächstes füge hinzu: Ich habe den Gedanken, dass ich mich trennen möchte. Sag dir das für eine Minute immer wieder in deinen Gedanken vor. 

Was passiert für dich? Wie sehr fühlst du dich mit dem Gedanken identifiziert? 

Phase 3 - Ich bemerke, dass ich den Gedanken habe, dass...

Als drittes füge hinzu: Ich bemerke, dass ich den Gedanken habe, dass ich mich trennen möchte. Sage dir das für eine Minute immer wieder selbst vor.

Was passiert für dich? Wie sehr fühlst du dich mit dem Gedanken identifiziert? 

Die meisten Menschen merken, dass sie weniger stark mit dem Gedanken identifiziert sind, sobald sie die Wörter “ich habe den Gedanken, dass…” einfügen. Schau, was für dich passiert! Du kannst diese Technik wiederholen, um mehr Distanz zwischen dich und deine Gedanken zu bringen. Häufig kann das schon dabei helfen, dass du dich mehr auf die Gegenwart fokussieren kannst und präsent bist.

Fazit zu bei jedem Streit denke ich an Trennung

Wie du gelernt hast, gehören Gedanken an Trennung zu den meisten Beziehungen auch dazu und müssen nicht das Ende der Beziehung bedeuten. Dennoch ist es wichtig, den Gedanken als Signal zu verstehen, der dir etwas mitteilen will, und auf eine Entdeckungsreise zu gehen. Dabei kannst du lernen, wieso dieser Gedanke für dich auftaucht, und was er bedeutet. Daher nimm dir gerne nach dem Lesen des Blogposts etwas Zeit, um für dich zu reflektieren, was du aus dem Blogpost mitnimmst, gelernt hast und ausprobieren willst.

Möchtest du deine Beziehungszweifel besser verstehen?
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